Im Naturgarten sind wir nicht bloß Besucher

Der Naturgarten ist geprägt von der Freude am Gestalten und Tun. Hier findet alles seinen Platz. Lauschige Ecken, Sitzplätze, Blumenbeete, Gemüse und Obst, Lauben mit Wein oder Rosen, wilde Stellen, Natursteinmauern, ein Teich und Pflanzen aller Art. Was auch immer man mag und sich wünscht.

Im Naturgarten sind wir nicht bloß Besucher, wie im wilden Garten. Wir sind sowohl Akteure als auch Lehrlinge des Gartens und ständig auf der Suche nach dem Gleichgewicht zwischen unseren eigenen Vorstellungen und denen des Gartens.  Umso mehr wir uns bemühen, dem Garten unsere Vorstellungen aufzuzwingen, umso mehr Energie müssen wir dafür aufwenden und letztendlich freuen wir uns bloß über unser der Natur abgerungenes Werk und nicht so sehr über die Schönheit und die Überraschungen, die uns der Garten bieten kann.

Der Naturgarten ist der Versuch, seine Gestaltung und unsere Arbeit in ihm, bestmöglich mit den natürlichen Prozessen und Gegebenheiten in Einklang zu bringen. Das setzt nicht nur ständiges Lernen, Beobachten und Ausprobieren voraus, sondern auch die Bereitschaft, natürliche Prozesse überhaupt erst einmal zuzulassen und ihre Prämissen wenigstens im Ansatz zu verstehen, um einen Garten zu schaffen, dessen Tore offen sind für die lebendige Welt.

Es ist an der Zeit, den Garten, den hortus clusus, den eingefriedeten, von der wilden Natur bedrängten und vor ihr zu schützenden kleinen Teil der Welt auch als solchen zu betrachten. Es gibt kaum noch wilde Natur, kaum Plätze, wo sein darf, was ist. Alles wird geputzt, gemäht, geschnitten, geordnet, großflächig zu Tode gespritzt. Wir bewegen uns zunehmend durch von jeglicher Vielfalt beraubte Räume. Ich sehe keine toten Kröten mehr auf den Straßen, keine erschlagenen Insekten auf den Windschutzscheiben.

Fast 170 000 Hektar Gärten gab es vor 20 Jahren in Niederösterreich. Heute wird das nicht viel anders sein. Viel Platz also, um Raum zu schaffen, für das, das außerhalb immer weniger findet.

Dabei bleibt er natürlich auch unser eigener Lebensraum, idealisiert durch unsere Vorstellungen und Wünsche.

Wir können beginnen, ihn zu teilen. Wir können überhaupt erst einmal beginnen festzustellen, dass uns gar nichts anderes übrigbleibt, als ihn zu teilen. Wir nehmen nur einen kleinen Teil des Geschehens wahr. Mit allem, das wir tun, beeinflussen wir aber ebenso den großen, nicht- oder kaum wahrnehmbaren Teil.

Wenn wir einen Garten besitzen, besitzen wir einen Teil der Welt. Das alleine klingt schon unerhört. Ob daraus eine Verantwortung abzuleiten ist, will ich nicht beurteilen und moralisieren liegt mir fern. Appellieren, das schon. An einen leichtfüßigeren, geschmeidigeren Umgang, an viel mehr Mit statt Gegen, an das Zulassen scheinbarer Unordnung. Wenn alles seine Ordnung haben muss, geschieht nichts Neues. Wenn nichts Neues geschieht, hat die Neugierde keinen Platz. Wenn wir nicht mehr neugierig sind, verkümmern wir.

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