Der Rasen und die Blumenwiese, zwei kontroversielle Themen, die beide gleichermaßen schwierig sind.
Für den Gestalter sind gemähte Flächen ebenso wie geschnittene Hecken wichtige strukturgebende Elemente im Garten. Wenn die gemähte Fläche ein Rasen sein soll, steht der Gärtner laufend vor schwer zu lösenden Problemen, wenn er nicht zu Unkrautvernichtern greifen will. Der ideale Rasen ist eine Monokultur aus einheitlichen, dicht wachsenden niedrigen Gräsern, die nach Sonne, Wasser und Nährstoffen verlangen. Ein Zustand, der schwer zu erhalten ist, da die Natur, von wenigen Ausnahmen abgesehen, offenbar etwas gegen Monokulturen hat. Eine dieser Ausnahmen ist zum Beispiel der Schilfgürtel am Neusiedlersee. Schilf ist auch ein Gras, nur gibt es kaum jemanden, der es im Garten haben will, da man ihn dann kaum noch betreten könnte.
Wenn wir als Gärtner wieder einmal vor braunen Flecken oder sonstigen unerwünschten Erscheinungen im Rasen stehen, finden wir oft nur rudimentäre Erklärungen, meist im Konjunktiv. Das ist natürlich für uns genauso unbefriedigend, wie für alle anderen Beteiligten. Mit Chemie ist alles Mögliche, wenn auch nie nachhaltig, lösbar, aber die wollen wir nicht.
Also wünschen wir uns was, auf dass das besser wird.
Wenn man einen Garten anlegt, ist das Ansäen oder Verlegen des Rasens meist das Letzte, das man tut. Da ich schon oft Menschen gesehen habe, die mit mehr oder weniger Verzweiflung das mit dem Rasen gleichzeitig keimende Unkraut in mühevoller Kleinarbeit zupfen, ziehe ich die Verlegung von Fertigrasen im Zweifelsfall vor. Wahrscheinlich ist die CO2 – Bilanz eines Fertigrasens eine Katastrophe. Trotzdem ist es ungemein befriedigend, wenn nach oft wochenlanger Arbeit, der Garten in wenigen Stunden fertig ist und alles grün und sauber erscheint. Zwei Wochen später sieht alles perfekt aus und das Übel beginnt, seinen Lauf zu nehmen. Ohne Bewässerung ist in unseren Breiten dieser Zustand kaum aufrecht zu erhalten. Ohne Düngen auch nicht. Einmal zu spät gemäht und alles ist braun. Ein Mähroboter muss her. Der macht natürlich mehr Sinn, wenn er auch alle Ränder erwischt. Also muss man darauf achten, dass es im Anschluss an den Rasen eine pflanzenfreie Fläche gibt. Da man ihn nicht unbedingt sehen will, befindet sich seine Unterkunft in irgendeinem unwichtigen Eck, das oft so schattig ist, dass das wenige Gras, das dort überhaupt vegetieren könnte in kürze zu Matsch zerfahren ist.
Ansonsten ist nichts dagegen zu sagen. Er ist leise, verhält sich ein wenig wie ein zurückhaltendes Haustier und die Zeit, die man sich dadurch spart, wird, zumindest anfangs, dazu genutzt, um ihm beim Mähen zuzusehen. Später dann, kann man sich anderen Dingen zuwenden, für die es noch keinen Roboter gibt.
Trotzdem, für alle, die einfach keine Zeit haben oder oft weg sind, für die, denen Anstrengungen eine Mühsal bedeutet und nicht zuletzt für die, die Wert auf einen möglichst perfekten Rasen legen, ist das eine gute Sache.
Sieht man sich sehr alte Gärten an, entdeckt man oft folgendes: Was einmal Rasen war, ist zwar grün, bloß Gräser gibt es kaum. Die Hecken sind hoch, die Bäume groß, es ist viel schattiger geworden. Die vor 30 Jahren im Wald ausgegrabenen Primeln haben sich über die Fläche verteilt, Veilchen haben sich dazu gesellt, und die Schneeglöckchen sind verwildert, das Scharbockskraut hat sich einen Platz erobert und dazwischen wächst das Moos. Niedrige Pflanzen, die meist blühen, wenn noch genug Licht durch die Bäume fällt. Hier wurde immer gemäht, aber niemals ständig. Die Samen konnten reifen und wurden von Ameisen, dem Wind oder bei unserem Gang durch den Garten verteilt. Eine Gesellschaft von Pflanzen, die sich im Lauf der Jahre eingefunden haben, angepasst an eine moderate Pflege und ohne besondere Ansprüche an Dünger und Bewässerung.
So etwas wünschen wir uns und das Herz blutet, wenn wir mit dem Bagger oder der Fräse darüber hinwegfahren.
Zwischen einem frisch angelegten, vitalen Rasen in einem jungen Garten und einer einigermaßen, mit geringem Aufwand erhaltbaren Gesellschaft von niedrigen Pflanzen in einem alten, gibt es unzählige Schritte von Veränderungen. Der Zustand des alten Gartens ist nur durch die Zeit herstellbar. Bestenfalls können wir ein wenig intervenieren. Ein paar Primeln pflanzen zum Beispiel und die Ameisen am Leben lassen, die einen kleinen Anhang an den Samen als Leckerbissen betrachten und sie dadurch verteilen.
Als Gärtner und Gestalter leben wir in einer glücklichen Zeit. Das Bedürfnis nach einem schönen Garten, nach naturnaher Gestaltung, nach eigenem Obst und Gemüse, nach einem ruhigen und intimen Platz im Freien, ist beständig gewachsen. Insektizide und Herbizide sind zunehmend mit einem Makel behaftet und werden teilweise gar nicht mehr verkauft. Und der Wunsch nach einer Blumenwiese ist oft zu hören.
Damit haben wir das nächste Problem. Eine Blumenwiese – und ich denke, dass wir alle eine sehr ähnliche Vorstellung davon haben, wie so etwas aussieht – ist das Ergebnis einer jahrelangen Entwicklung und die Anfänge haben meist wenig mit unserer Vorstellung davon zu tun. Blumenwiesen sind entstanden durch kontinuierlichen Nährstoffentzug. Sie wurden lange Zeit beweidet oder immer wieder gemäht, um Heu für die Tiere zu gewinnen. Sie wurden nie gedüngt. Sie gedeihen am besten auf nährstoffarmen und trockenen Böden und sie sind vollkommen der Sonne ausgesetzt. (Ich beziehe mich hier auf meine nahe Umgebung und da sind Blumenwiesen auf feuchten Böden sehr selten, obwohl es die anderswo auch gibt.)
Ein Standort also, der in Gärten selten anzutreffen ist. Sollten Sie so einen haben, können Sie ihn als Schatz betrachten. Die Böden sind oft durch Bautätigkeit schwer gestört, meist zu nährstoffreich und oft zu sehr beschattet, als dass eine Blumenwiese leicht entstehen könnte.
Von da, wo ich gerade sitze, sehe ich in einen alten Obstgarten. Die Marillenbäume sind umgeben von einer hohen Wiese, die, soviel ich von hier sehen kann, fast nur aus Glatthafer besteht. An ihren Rändern ein wenig Labkraut. Glatthafer wächst auf nährstoffreichen Böden, das sieht man auch den Obstbäumen an. Sie wachsen gut. Die Wiese ist deshalb nicht besonders artenreich und trotzdem bezaubernd.
Es gibt so viele unterschiedliche Zustände zwischen einem jungen und einem alten Garten, zwischen einer Gstetten und einer lang gepflegten Wiese und jeder dieser Zustände hat seinen Reiz, wenn man sich dafür ein wenig öffnet. Das wünschen wir uns.